Wenn man seit 25 Jahren Teamcoaching in Unternehmen und Organisationen durchführt, entsteht eine gewisser Überblick, was gefragt ist, was geht und nicht geht und wo die Grenzen sind. Ich wage aus dieser Erfahrung heraus eine Einschätzung vorzunehmen: Mit Teamcoaching geht deutlich mehr, als von den meisten Unternehmen derzeit in Anspruch genommen wird. Im Folgenden möchte ich diese Meinung begründen, die Chancen und die Grenzen von Teamcoaching aufzeigen und einige Tipps für Entscheidungsträger anschließen.
Zuerst aber eine Definition: Was ist Teamcoaching, was ist es nicht, welche Irrtümer könnte es zu diesem Thema geben?
Definition Coaching (JELINEK AKADEMIE):
Coaching ist anlassbezogene, zielorientierte, lösungsfokussierte Interaktion mit dem Ziel, bestehende hinderliche Sichtweisen auf das zu lösende Problem zu erschüttern, förderliche Sichtweisen zu entwickeln und daraus neue Lösungsansätze entstehen zu lassen.
Der (weibliche oder männliche) Coach fungiert nicht als Anbieter dieser Lösungen, er ist vielmehr „Perturbator“ – er erschüttert die bestehenden Sichtweisen durch konkretes Hinterfragen der Wirklichkeitskonstruktionen – und „Inkubator“ – er begleitet beim Betreten neuer Denkräume und bietet einen geschützten, diskreten Rahmen, in dem erste vage Gedanken zu neuen Lösungsansätzen reifen dürfen.
Coaching wurde ursprünglich eher als Einzelgespräch verstanden (W. Looss: Unter 4 Augen – Coaching für Manager 1997). Es gibt aber keinen schwerwiegenden Grund, warum Coaching nach oben genannter Definition nicht auch bei Teams angewandt werden könnte. Und nach vielen durchgeführten Teamcoachings kann ich sagen: Es funktioniert sogar sehr gut.
Ein Team ist eine Gruppe von Menschen, die eine gemeinsame Aufgabe zu bewältigen haben, dabei voneinander abhängig sind und gemeinsame Verantwortung zu tragen haben. Dazu braucht ein gutes Team eine ressourcengerechte Aufgabenverteilung, eine gemeinsame (Mikro-)Kultur und eine effiziente Kommunikation. Dafür ist vordergründig die Führungskraft des Teams verantwortlich – bei Anwendung einiger Thesen der Systemtheorie scheint diese Behauptung aber nicht ganz richtig zu sein.
Systemische Betrachtung von Teams
Die Mitglieder eines Teams bilden durch ihre Beziehungen und Kommunikationen ein Soziales System, das typische „systemische“ Eigenschaften hat (Fritz Simon: Einführung in Systemtheorie und Konstruktivismus 2006). So verfügt ein solches System über eine Selbstorganisation, die nicht einfach von außen durch Fremdsteuerung aufgehoben werden kann. Ein Team ist keine Maschine – viele Führungskräfte sind schon daran verzweifelt, dass sie sich „Führung“ wie das Steuern einer Maschine vorgestellt haben.
Ein Soziales System ist auch durch seine Struktur determiniert, das heißt, informelle Spielregeln und Beziehungsmuster bestimmen, was in dem Team möglich oder nicht möglich ist. Diese Determinanten sind keineswegs allen Mitgliedern bewusst, auch nicht der Führungskraft. Darüber hinaus sind Soziale Systeme autopoietisch, sie haben die Tendenz, ihre Strukturen zu erhalten und Veränderungen von außen eher abzuwehren.
Die Führungskraft des Teams hat oft wenige Möglichkeiten im Alltag, diese Eigenschaften zu erkennen und darauf zu reagieren. Einerseits werden in den meisten Unternehmen der Führungskraft für die Aufgabe „Führen“ relativ wenig Zeitressourcen zur Verfügung gestellt, sehr häufig dominieren Sachaufgaben ihren Arbeitstag. Andererseits sind nicht viele Führungskräfte profund im Umgang mit Sozialen Systemen ausgebildet. So bleibt es oft dabei, dass Irritationen oder handfeste Störungen im Team nicht aufgelöst werden oder vorhandene Potenziale nicht zur Entfaltung kommen.
Der Nutzen des Teamcoachs
Der professionelle Teamcoach hat für diese Aufgabe eine profunde Ausbildung, ist mit den Eigenschaften Sozialer Systeme wohl vertraut, hat einen geschärften Blick für die Dynamiken im Team und beherrscht vielfältige Methoden für verschiedene Aufgabenstellungen.
Der Teamcoach ist vom Thema nicht vorbelastet, kein Mitglied des Systems, der Strukturdeterminiertheit nicht unterworfen und trifft das Team in einer „Auszeit“, in der Alltagsthemen ausgeklammert sind und sich alle auf das vereinbarte Ziel des Coachings konzentrieren können.
Einen Teamcoach zu engagieren heißt für die Führungskraft,
• wahrzunehmen, dass es im Team eine Situation mit Verbesserungsbedarf und -potenzial gibt,
• anzuerkennen, dass externe professionelle Begleitung dabei sehr nützlich sein kann,
• selbstbewusst zu vertreten, dass die Inanspruchnahme professioneller Unterstützung ein Zeichen von Führungsstärke und nicht von Schwäche ist, und
• die Bereitschaft, in diesem Prozess alles, auch sich selbst zu hinterfragen. Nicht zuletzt heißt das auch, bereit zu sein, dafür Geld zu investieren.
Übrigens, um ein großes Missverständnis aufzuklären: Die Investition beträgt nach meiner Erfahrung bei einem abgrenzbaren Thema den überschaubaren Betrag zwischen 2.000.- und 8.000.- Euro, der Prozess dauert keineswegs, wie ich kürzlich in einer Fachzeitschrift las, „mindestens 6 – 12 Monate“ sondern eher 4 – 8 Wochen bzw. 1 – 4 Sitzungen. Das ergibt sich aus der lösungsfokussierten Vorgangsweise.
Ziele und Grenzen von Teamcoaching
Ein gemeinsames Ziel für das Teamcoaching zu finden, ist immer der Anfang des Prozesses und oft schon die erste gruppendynamische Auseinandersetzung. Im Sinne der Definition von Coaching als „anlassbezogen und zielorientiert“ ist die Festlegung auf ein abgrenzbares Thema und die Formulierung eines klaren Zieles unbedingt notwendig. Gelingt das, ist das Problem nicht selten auch schon halb gelöst. Das Ziel ist immer im Handlungsraum des Teams zu formulieren, also nicht „Wir wollen, dass sich unsere MitbewerberInnen in Luft auflösen“ sondern zB. „Wir wollen uns zu einer Strategie im Umgang mit dem verstärkten Wettbewerb bekennen, bei der alle von uns an einem Strang ziehen.“
Die Grenzen von Teamcoaching sind dort gegeben, wo es sich um kein Team handelt sondern zB. um eine Abteilung von bewusst in interner Konkurrenz gehaltenen EinzelkämpferInnen, die keinerlei Nutzen darin erkennen können, besser zu kooperieren oder zu kommunizieren. Auch Delegationen von Managementaufgaben an den Coach funktionieren nicht bzw. würde ein professioneller Coach nicht annehmen.
Keinesfalls verwechseln sollte man ein seriöses Teamcoaching mit verschiedenen Outdoor-Events. Gemeinsam in einem Schlauchboot einen Fluss hinunterzupaddeln oder in einem Hochseilgarten herumzuklettern löst keine Probleme und macht kein Team besser. Umgekehrt ist es denkbar, in einen Teamcoachingprozess eine kleine Erlebnisübung einzubauen, wenn die Umstände dafür passen.
Häufige Anlässe für Teamcoachings
In der Praxis zeigt sich, dass die häufigsten Anfragen für ein Teamcoaching akute oder latente Konflikte zum Thema haben. Das ist nicht überraschend, weil die Bereitschaft, Geld zu investieren, steigt, wenn der Druck im Team steigt und die Leistung beeinträchtigt.
Seltener, aber genauso bedeutsam für die Performance des Teams sind Themen wie Entwicklung/Verbesserung der gemeinsamen Kultur und Kommunikation, die Qualität der Zusammenarbeit, die optimale Ressourcennutzung im Team.
Noch sehr wenig genutzt werden die Möglichkeiten eines Teamcoachings für die Entwicklung neuer Haltungen im Umgang mit Veränderung und daraus resultierender Neupositionierung des Teams.
Das Einbeziehen der Teammitglieder in die Vorbereitung von Entscheidungen und damit ein deutliches Steigern des Commitments und des Engagements bietet dabei sehr viele Chancen.
(Hinweis: Leitartikel in unserer JA-ZEIT-SCHRIFT vom 06.2015 über das REBELL-Konzept als Gegenentwurf zur Alternativlosigkeitsfalle (LINK!).
Tipps für EntscheidungsträgerInnen
Sie meinen, dass es in Ihrem Unternehmen, Ihrer Abteilung, Ihrem Team „Sand im Getriebe“ gibt oder vorhandene Potenziale zu wenig zur Wirkung kommen?
Sie sehen Veränderungen und Herausforderungen auf Ihr Team zukommen?
Sie glauben, dass die Antworten auf diese Herausforderungen unter gezielter Einbeziehung der intellektuellen, kritischen, kreativen Kräfte Ihres Teams besser und nachhaltiger sein könnten?
Sie kalkulieren scharf kaufmännisch und erkennen, dass der Einsatz von ein paar tausend Euro ein vielfaches an return on investment bringen kann?
Wenn Sie zumindest eine dieser Fragen mit Ja beantwortet haben, könnte es für Sie sehr nützlich sein, einen seriösen Teamcoach zu kontaktieren. Dieser wird Ihnen in einem unverbindlichen Gespräch erklären, was Teamcoaching in Bezug auf Ihr Anliegen leisten kann und wie der Prozess gestaltet werden könnte. Er wird Sie auch über die Risiken und Nebenwirkungen aufklären.
Ein seriöser Teamcoach ist Experte für psychologische Beratung und gruppendynamische Prozesse, verfügt über eine umfangreiche Coaching-Ausbildung und ein theoretisch fundiertes Coaching-Konzept, hat vielfältige praktische Erfahrung und passt von seiner Philosophie und seinem Menschenbild zu Ihnen und ihrem Unternehmen.
Peter Jelinek ist Gründer und Senior Consultant der JELINEK AKADEMIE und Gründungsmitglied des Österreichischen Coachingdachverbands ACC. Seit zwanzig Jahren leitet er die „Diplomausbildung Professional Coach“ und hat in vielen Unternehmen Mitarbeitercoaching als Führungskultur implementiert. Als Coach konnte er hunderten Führungskräften bei der Bewältigung ihrer Herausforderungen behilflich sein.