Es waren nicht erst die publizierten Schlagworte wie War for talent, Employer branding oder Employee engagement, die viele HR-ManagerInnen von PersonalverwalterInnen zu strategischen MitgestalterInnen der Unternehmen werden ließen. Dass die Qualität der MitarbeiterInnen ein kritischer Erfolgsfaktor für das Unternehmen ist, ist allgemein anerkannt. Nicht so einheitlich ist die Sichtweise, welche Kompetenzen in Summe diese Qualität ausmachen.

Fachliche Qualifikation ist klar, nicht so klar ist in vielen Organisationen die Bedeutung der People Skills, Sozialkompetenz oder eben Kompetenz im Umgang mit Menschen. Allerdings: Wo immer Berufstätige nicht nur mit Maschinen sondern mit Menschen interagieren, ist die Qualität dieser Interaktion von ganz entscheidender Bedeutung.

Es ist ja nun nicht so, dass diese Erkenntnis theoretisch neu wäre. In fast allen mir bekannten neueren Unternehmensleitbildern finden sich dazu wohlformulierte Bekenntnisse. Die Schwierigkeit liegt wie so oft in der Praxis, im Alltag.

Wie gut kommunizieren die Führungskräfte mit ihren MitarbeiterInnen, wie gut die MitarbeiterInnen mit ihren KundInnen? Wie sehr werden die in den Leitbildern genannten Werte wie z.B. Respekt und Offenheit während des stressigen Arbeitstages gelebt?

Als Coach mit bald dreißigjähriger Erfahrung erfährt man ja viele „ungeschminkte“ Erlebnisberichte aus dem Arbeitsleben jenseits der Hochglanzbroschüren, und als solcher Coach kann ich sagen: da ist noch viel zu tun.

Was ist Kompetenz im Umgang mit Menschen?
Es gibt dazu verschiedene Definitionen, eine davon möchte ich hier anbieten:
Kompetenz = Summe der Fähigkeiten und Fertigkeiten auf einem bestimmten Gebiet
Fähigkeit = persönlichkeitsbedingtes, teilweise entwickelbares Vermögen
Fertigkeiten = erlernte Kenntnisse und Techniken
Umgang mit Menschen = Zusammenwirken von Kommunikations- und Kooperationsverhalten, Einfühlungsvermögen, Konflikt- und Integrationsbereitschaft, Verantwortung, Vertrauen u.a..
Systemisch betrachtet ist der Umgang mit Menschen keine lineare Einwegbeziehung, sondern ein zirkulärer Prozess von Einflussnahme und permanenter Wechselwirkung.

Der Umgang mit Menschen beginnt beim Umgang mit sich selbst: Die Art des Selbsterlebens, der Selbstwahrnehmung und des Selbstvertrauens beeinflusst unmittelbar das Verhalten gegenüber anderen. Es gibt dazu verschiedene psychologische Persönlichkeitsmodelle wie z.B. das transaktionsanalytische Modell von Eric Berne, das auch gleichzeitig ein Kommunikationsmodell ist.
Auch das Konzept der Emotionalen Intelligenz von Daniel Goleman, das er später um die Soziale Intelligenz erweiterte, kann hilfreiche Erkenntnisse liefern. Ein systemisches Modell ist das Innere Team, das die Psyche als Wechselbeziehung von inneren Anteilen sieht, mit allen systemischen Eigenschaften. Selbstvertrauen ist enthalten im Konzept der Selbstwirksamkeit von Albert Bandura.
Hinweis am Rande: In der Alltagssprache wird oft Selbstbewusstsein mit Selbstsicherheit gleichgesetzt. Das ist ein großer Irrtum. Selbstbewusstsein ist das Ergebnis intensiver Selbstreflexion, eine tiefe Kenntnis der eigenen Persönlichkeit. So ist es durchaus möglich, mit großem Selbstbewusstsein zu wissen, dass man ein sehr unsicherer Mensch ist. Umgekehrt trifft man gerade im Management manchmal auf Menschen, die eine ausgeprägte Selbstsicherheit bei nur marginalem Selbstbewusstsein haben. Das wirkt sich unmittelbar auf ihren Umgang mit Menschen aus.

Wie kann man die Kompetenz im Umgang mit Menschen entwickeln?
Aus oben genannten Gründen beginnt die Entwicklung bei der eigenen Persönlichkeitsbildung. Selbstkompetenz, ein differenziertes Selbstbild, ein gesundes Selbstvertrauen, gebildet durch Selbstreflexion und Feedback, sind die Basis.
Darauf aufbauend gehören dazu alle Kompetenzen, die mit Kommunikation und Konfliktverhalten zu tun haben. Wer jetzt denkt „Mit der Erkenntnis, dass eine Nachricht eine Sach- und eine Beziehungsebene hat, kann man ja wirklich niemand mehr überraschen!“, der möge mir glauben: Wissen tun es viele, aber anwenden nicht so viele. Außerdem geht es in der Kommunikation auch noch um viel spannendere Dinge, wie z.B. absichtliche oder unabsichtliche suggestive Botschaften, zielgruppenspezifisches Formulieren, lösungsfokussierten Dialog etc…
Hier helfen neben Selbsterfahrung auch Trainings, in denen Fertigkeiten vermittelt werden.
Konstruktivistische Haltung als Akzeptieren, dass Wirklichkeiten verschieden sind, Integrationsvermögen als Fähigkeit, aus verschiedenen Wirklichkeiten eine nützliche gemeinsame zu konstruieren, und Vertrauen in die Verantwortungsbereitschaft anderer Menschen sind weitere Lernfelder.

Was ist der Nutzen für den Einzelnen und das Unternehmen?
People Skills sind in jedem Unternehmen von Bedeutung: Als KundIn kaufe ich lieber dort ein, wo man meine Bedürfnisse versteht und mich gut berät, als MitarbeiterIn arbeite ich lieber mit einer ChefIn mit Führungsqualität. Um auf den Anfang dieser Ausführungen Bezug zu nehmen: Die besten Arbeitskräfte haben es nicht nötig, sich von persönlich inkompetenten Führungskräften respektlos schikanieren zu lassen.
Für den einzelnen Menschen ist es auch eine Frage der Ethik und des Weltbildes: Wie will ich, dass Menschen miteinander umgehen sollen, um einige Dinge zum Positiven zu verändern.
Ganz nach der Aussage von Mahatma Gandhi: „Sei Du selbst die Veränderung, die du Dir wünscht in der Welt!“