Je älter ich werde um so öfter taucht bewusst die Frage nach Sinn oder Sinnhaftigkeit einer Situation, Verhaltensweise, eines Ereignisses, von Entscheidungen von Forderungen an sich selbst und andere auf.
In meinem Beruf als Lebens-u.Sozialberaterin und Coach bin ich gewohnt zu reflektieren, über Dinge in der Tiefe nachzudenken. Ich bin froh zu der Erkenntnis gefunden zu haben, auch dort noch für mich einen Sinn in einer Sache zu finden, wo andere Menschen nur mehr die Katastrophe sehen. Ich bin froh das Gute im Schlechten erkennen zu können. Es erleichtert mein Leben und ich bin fähig viel mehr durchzustehen, als Menschen, die noch nie von diesen Möglichkeiten gehört haben.
Und dennoch werde auch ich immer wieder gebeutelt und ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass es immer wieder neue Herausforderungen – Lernchancen geben wird. Dass das Fragen nach dem Sinn des Lebens zumindest in meinem Leben nie aufhören wird und sich auch wandelt, je nachdem in welchem Lebens-Zyklus ich mich als Frau befinde.
Die Frage nach dem Sinn erscheint mir sehr weit. Je nach Geisteshaltung gibt es hier unterschiedliche Zugänge und Betrachtungsweisen bis hin zur Erkenntnis, dass es einfach keinen Sinn hat einen Sinn finden zu wollen, weil es eben keinen Sinn gibt. Alles ist zufällig. So die ganze Entstehungsgeschichte der Erde und der Menschheit die Evolution entlang.
Kann sein, Menschen suchen aber einfach einen Sinn in ihrem Leben. Ich möchte mich dem Thema auch ganz von der praktischen Seite nähern.
Wann fängt das eigentlich an mit dem Suchen nach dem Sinn?
Als Kinder kommt uns manches spätestens ab dem Schulalter sinnlos vor. Aus unserer kindlichen Sicht prasseln aus elterlichen Mündern unsinnige Verbote, Maßregelungen, ehrgeizige Ansinnen, die wir nicht nachvollziehen können, und dergleichen auf uns nieder. Was wir in unserer Schulzeit erleben macht aus Sicht eines Kindes oder Jugendlichen oft überhaupt keinen Sinn.
Im Jugendlichenalter in der Individualisierungsphase wird dann schon eher nach Sinn gefragt. Verallgemeinerungen ob und wann sich jemand um den Lebenssinn kümmert sind aus meiner Sicht nicht zulässig. Von sich ganz wenig bis sich ganz viele Gedanken machen gibt es sicherlich alles.
Es ist auch nicht zu beurteilen ob das wieder Sinn macht. Wer will sich das anmaßen?
Trotzdem frage ich mich des Öfteren: Was ist mit unserer Gesellschaft los, wenn Zeitungs-Horrormeldungen von jugendlichen Selbstmördern oder Amokläufern berichten?
Was ist zu tun, wenn wir uns ernsthaft mit einer Jugend auseinandersetzen, die in der Zukunft keinen Sinn mehr erkennen kann?
Sich mit Drogen volldröhnt und ihre Gesundheit verspielt.
Wo sind die Erwachsenen, die vielleicht sehr wohl einen Sinn darin sehen Verantwortung zu übernehmen und an einer Gesellschaft zu arbeiten, die in der Lage ist so für die Menschheit und die Erde Zeichen zu setzen, dass die Generationen nach uns auch noch einen lebenswerten Planeten vorfinden?
Oder gar Sinn darin finden Wertschätzung zu leben.
Den achtsamen Umgang mit sich selbst, den anderen und der Erde zu pflegen. Oder Sinn darin finden vorzuleben was es bedeutet auch in schwierigen Zeiten Mut zu haben. Für die Kreativität, Schaffensgeist und Durchsetzungskraft aber auch Lebensfreude und Leichtigkeit möglich sind.
Für mich persönlich ist in erster Linie der Sinn des Lebens jener, dem ich meinem Leben gebe und nach dessen Verwirklichung ich strebe. Jeder Mensch sollte auch dafür die Verantwortung übernehmen. Die Vielfalt ist dabei unendlich groß.
Findet doch der eine seinen Sinn darin, den eigenen Körper fit zu halten, eine tolle Partnerin oder Partner zu finden, Kinder in die Welt zu setzen, aus welchen Gründen auch immer, Erfolg im Leben zu haben, mit all den Strömungen der „Spaßgesellschaft“ mit zu schwimmen, findet ein anderer Mensch seinen Sinn in inneren Werten, ethischen Werten je nach Erziehung oder eigener Erkenntnis mehr oder weniger religiös oder philosophisch gefärbt, pflegt eher ein einfaches Leben. Wo die einen ihren Sinn sehen wirtschaftliche Erfolge einzufahren setzen andere Menschen auf soziales Engagement, Ökologie oder alles zusammen.
Interessant wird die Suche nach dem Sinn des Lebens , wenn es Brüche gibt. Sich ein Unfall, eine Trennung oder sogar eine schwere Krankheit oder der Tod einstellt. Spätestens am Totenbett fragen die Menschen nach der Sinnhaftigkeit des eigenen Lebens. Wenn sie zurückblicken und sich fragen wie habe ich gelebt? Habe ich ein erfülltes oder eher gefülltes Leben gehabt. Oder erkenne ich, dass ich an allem eher vorbei gelebt habe, was ich mir gewünscht habe. Dann wird abgerechnet und je nach Bilanz friedlich oder schwer das Diesseits verlassen.
Interessant ist auch die Frage: Geht es bei der Sinnfindung nur um mich selbst oder gibt es da mehrere Ebenen? Woran denken Sie, wenn sie sich mit der Frage nach dem Lebenssinn auseinandersetzen? Haben Sie wirklich schon mal so richtig in der Tiefe darüber nachgedacht? Was genau macht für Sie Sinn? Oder bewegen auch Sie sich gerade auf ein Burn Out zu wie so viele Menschen. Oder fragen Sie sich vielleicht, was ihr ganzes Tun und Strampeln eigentlich noch für einen Sinn macht? Viele Menschen sehnen sich nach mehr Zeit, mehr Besinnlichkeit, Langsamkeit. Viele meiner KundInnen sehen in ihrer Arbeit wenig Sinn, streben nach Umorientierung, nach Menschlichkeit.
Immer wieder begegnen mir in meiner Praxis ManagerInnen, die kritisch hinterfragen, die verzweifelt für sich selbst und Ihr Tun in der Firma eine Rechtfertigung oder nach einer Veränderung suchen.
Ich denke die Frage nach dem Sinn ist eine Frage, die man sich das ganze Leben hindurch immer wieder stellen sollte. Das Leben ist steter Wandel und mit unserem Leben wandelt sich auch der Sinn, den wir immer wieder suchen und hoffentlich auch finden.
Im Leben werden wir immer wieder geprüft, Möglichkeiten dazu gibt es wie Sand im Meer. Schön finde ich, wenn wir in schwierigen Situationen in der Lage sind, uns zu fragen; „Was ist meine Lernchance in dieser Situation?“ Wenn ich erkennen kann, dass in den dunkelsten Stunden Neues entsteht. Oft kann man es nicht genau erkennen. Fühlt sich hilflos einer Situation ausgesetzt. Bei genauerer Betrachtung lassen sich jedoch wertvolle Aspekte herausarbeiten.
Ein absoluter Meister dieser Kunst war wohl Viktor Frankl, der unter permanenter Bedrohung seines Lebens sich mit der Sinnfrage in einer tiefen Weise
auseinandergesetzt hat und damit eine ungeheure innere Kraft bewiesen hat.
In Österreich sind wir Gott sei dank zur Zeit nicht mit derartigen Gräuelszenarien konfrontiert . Blicken wir jedoch etwas über unseren Tellerrand hinaus, frage ich mich schon: Wie geht es den Menschen in anderen Ländern, die hungern, die permanent im Krieg sind, ständig Angst haben müssen, in die Luft gesprengt zu werden oder ihre liebsten Menschen zu verlieren. Was hält diese Menschen aufrecht? Worin finden sie ihren Sinn?
Da verschieben sich die Werte mit Sicherheit. Fallen wir in ein Burn Out und in die Depression, weil vielleicht unsere Firma kaputt gegangen ist, oder weil wir in unserer Arbeit keinen Sinn sehen, weil vielleicht durch äußere Veränderungen in der Firma plötzlich kein Stein mehr auf dem anderen geblieben ist. Wir gerüttelt werden und durch die persönliche Krise Dinge anders zu betrachten beginnen. Gut. Jedoch wie relativ ist alles gemessen am Leid, welches in anderen Staaten Menschen erdulden müssen.
Wie sieht es mit dem Sinn aus, wenn Menschen z.B. auf der Flucht sind, all ihre Habe zurücklassen mussten, keine Ahnung haben ob sie morgen noch was zu essen haben oder ein Dach über dem Kopf.
Da kann es plötzlich Sinn machen einfach das eigene Leben und das Leben der Sippe zu schützen.
Da relativiert sich alles.
Natürlich kann ich finden: Ich lebe aber in Österreich und nicht in der Sahel Zone oder in Afghanistan.
Könnte ich aber vielleicht auch einen Sinn darin finden über größere Zusammenhänge nachzudenken?
Auf was könnten Sie stoßen, wenn Sie sich Gedanken machen, wie Ihr eigenes Tun die Situation von Menschen am anderen Ende der Welt beeinflusst?
Ja Sie haben richtig verstanden. Ich meine wirklich Sie. Halten Sie es überhaupt für möglich?
Oder sehen Sie da keinerlei Zusammenhänge?
Oder denken Sie, das können ohnehin nur die Politiker für uns tun. Was kann ich kleine/r BürgerIn denn schon bewegen?
Was würde passieren, wenn plötzlich viele Menschen einen Sinn darin finden wachsamer zu sein, ihr eigenes Handeln tiefer hinterfragen?
Ein Gedankenexperiment wagen. Was würde passieren, wenn ich …………….ja Sie!
Würde ich auch einen Sinn darin finden können, wenn ich keinen unmittelbaren Nutzen für mich sehen kann?
Bekomme ich überhaupt Sinn und Nutzen für mich auseinander? Haben Sie sich schon mal darüber wirklich Gedanken gemacht? Manche Leser sicherlich und weit mehr aber manche vielleicht noch nicht. Dann wagen Sie es doch einmal!
Wie steht es mit den inneren Werten? Brauchen wir sie? Braucht unsere Gesellschaft unsere Wirtschaft mehr innere Werte? Ich denke ja. Nicht zufällig gibt es eine Renaissance der Philosophie und hallt der Ruf nach Ethik auch durch die Wirtschaftswelt.
Menschen in den besten Jahren ihres Lebens gestalten ihre Welt, verbrauchen sich, bereichern sich oder darben. Merken gar nicht, was mittlerweile um sie herum passiert. Finden ihr Leben ganz o.k., machen sich einfach keine tieferen Gedanken.
Oft kommt das erst später, wenn sozusagen der Herbst kommt. Die Lebenskraft abnimmt, das Alltagsleben plötzlich härter wird oder trotz guter Pension, mit der man sich Reisen oder sonstige Annehmlichkeiten gönnt, plötzlich der Partner oder die Partnerin erkrankt oder gar stirbt. Wenn unvorhergesehene Situationen eintreten. Es einfach nicht mehr so dahin läuft wie man es sich erträumt hat.
Dann kommen Momente – wenn man es nicht aus freien Stücken schon vorher getan hat – in denen sich Menschen auf die inneren Werte besinnen.
Ich denke oft an alte Menschen, die in den Heimen ihren Lebensabend verbringen, weil sie auf Pflege angewiesen sind. Wenn sich das Leben ausgetobt hat. Stille und auch oft viel Einsamkeit einkehrt.
Ich denke aber auch oft auf die Heerscharen der helfenden Menschen, die nicht nur zum Broterwerb ihren Job machen sondern wirklich einen Sinn gefunden haben alten und sogar sterbenden Menschen ihre Fürsorge angedeihen zu lassen.
Ich überlege mir oft wie wenig Berührung alte Menschen manchmal mehr bekommen, außer der notwendigen Pflegearbeit. Wie wohltuend mag es da sein, wenn es jemanden gibt, der „berührt“. Egal ob mit Worten, einer Geste, einem Lächeln, einem einfach da sein, zuhören, ernst nehmen, eine Hand halten, Trost spenden.
In dieser Situation finden alte Menschen Sinn, dass sie die eigene Würde behalten können. Oder das eigene Leben gut fertig zu machen indem sie den eigenen inneren Frieden finden. Da wird es auch wichtig mit seiner Familie Frieden zu schließen, alles noch zu klären bevor man geht.
Wie wichtig solche Dinge sind, wurde mir klar, als einer meiner Onkel gestorben ist. Zu Lebzeiten mäkelte meine Tante ständig an ihrem Mann herum, er war ihr einfach nicht gut genug. So erschien es mir zumindest damals aus meiner etwas entfernten kindlichen Sicht. Diese tiefe Kränkung endete eigentlich sehr traurig. Er rächte sich, indem er mit ihr nicht mehr gesprochen hat. Ist eines Tages einfach ohne Abschied, ohne Versöhnung gestorben. Ab diesem Zeitpunkt konnte ich beobachten, ist meine Tante mit- gestorben. Sie konnte in ihrem restlichen Leben keinen Sinn mehr finden. Es war traurig mit anzusehen. Sie ging wie eine wandelnde Leiche durch das Leben. Nichts hat sie mehr interessiert. Nichts konnte ihr Leben erhellen. Da war keine Freude mehr, kein Lachen, kein Anteil nehmen an den kleinen schönen Dingen des Lebens, die es auch im Alter gibt, wenn man sie nur wahrnimmt. Mit 85 ist sie dann auch gegangen. Verbittert, vereinsamt.
Menschen mit einem Glauben haben es da sicher leichter, egal welchem Glauben oder spiritueller Richtung sie anhaften.
Arm sind jene Menschen, die weder einen Glauben haben noch klare Atheisten sind und dazu stehen.
Das sind jene Menschen, die ihr ganzes Leben relativ unreflektiert gelebt haben. Plötzlich trifft sie eine Krankheit oder es passiert ein Unfall und dann beginnen die Fragen. Wieso gerade ich? Was habe ich verbrochen, dass ich so bestraft werde. Plötzlich tun sie so, als ob es im außen jemanden geben würde, der sie bestraft. Auch wenn sie ihr Leben lang an keinen Gott geglaubt haben. Da gibt es dann nichts zum Anhalten. Solche Menschen sind dann voll Angst und Verzweiflung. Die dunkle Nacht der Seele bricht an.
Ich selbst habe auf meinem Lebensweg immer wieder die Frage nach dem Sinn gestellt und werde auch nicht aufhören es zu tun. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es sich immer lohnt.
Auch in meiner Praxis als Lebens-u.Sozialberaterin und Coach habe ich in den letzten 25 Jahren viele Menschen begleitet, die sich diese Fragen gestellt haben. Mutig Veränderungen vorgenommen haben und dann nach Jahren zu mir gekommen sind, sich bedankt haben für all die Zuwendung, die sie erfahren haben und die Unterstützung, die ihnen oft geholfen hat ihren Lebenssinn zu finden.
Auch wenn manche Veränderungen dann vollzogen werden müssen. Man vielleicht die Komfortzone verlassen muss. Das alles ganz schön Angst macht. Auch wenn Zeiten dazwischen sind, in denen man sich gar nicht mehr auskennt. Das Alte nicht mehr ist und das Neue noch nicht sichtbar ist. Genau dort passiert etwas – wir wachsen – dort in diesem Zwischenzustand vollzieht sich die Veränderung, wird Schritt für Schritt oft auch langsam Neues, Besseres sichtbar.
Es ist schön erleben zu dürfen, in aller Bescheidenheit und Demut, wie Menschen ihren Weg, ihren Sinn finden und zu glücklicheren Menschen werden. Das ist unter anderem ein Aspekt, der meinem eigenen Leben Sinn gibt.
Elisabeth Jelinek ist Besitzerin und Geschäftsführerin der JELINEK AKADEMIE, Kompetenz im Umgang mit Menschen
Seit 25 Jahren Lebens-u.Sozialberaterin, Coach und Trainerin.
Die JELINEK AKADEMIE steht seit über 20 Jahren für exzellente Ausbildungen im Bereich Lebens-u.Sozialberatung, Training und Coaching sowie Beratungsarbeit.
Besondere Anliegen sind die Entwicklung einer nachhaltigen Lebenskunst und das Lernen für eine nachhaltige Zukunft.